**Internationale Fachtagung von Mikrobiologen**

Bakterien sind auch nur Menschen. Wie die großen Mehrzeller-Kollegen müssen sich die einzelligen Mikroorganismen in einer riesigen Welt zurecht finden. Wie machen die das? Das war die Fragestellung von rund 180 Spezialisten der Biologie in Marburg. Wir Menschen können folgendes: Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Tasten, „und Bakterien können das auch“, sagt die Marburger Mikrobiologin Anke Becker und gerät dann sogleich in den Fachdisput mit Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, wie das denn mit dem „Hören“ bei Bakterien sein könne, also dem Registrieren von Schallwellen. Nunja, Schallwellen sind eigentlich zu groß für die nur unter dem Mikroskop sichtbaren, klitzekleinen Bazillen.

Bakterienkolonie (Bild: UMR)
Bakterienkolonie (Bild: UMR)

Mitunter können Bakterien Licht wahrnehmen und Taktiles ertasten. In der Regel kommunizieren sie mit ihrer Umwelt über chemische Signale, was dem Riechen und Schmecken entspricht. Masterstudent Jannis Brehm von der Universität München (LMU) untersucht beispielsweise wie ein Bakterium erkennt, dass es im Verdauungstrakt einer Insektenlarve richtig angekommen ist, um sich dort dann auszubreiten. Ist die Larve tot, zieht das Bakterium weiter.

So martialisch geht es leider im Reich der Mikrobiologie immer zu. Bakterien, Viren, Pilze müssen sich sehr schnell anpassen, ihre Umwelt erkennen, sich untereinander oder mit anderen Arten verbünden, um zu überleben. Und diesem Reichtum an Anpassungsstrategien galt die Tagung „Wie Mikroorganismen ihre Welt erkennen“, die von Anke Becker und Erhard Bremer (beide Philipps-Universität Marburg) und Thorsten Mascher (TU Dresden) in Marburg ausgerichtet wurde.

> Im Interview erläutert Thorsten Mascher, "wie Mikroorganismen die Welt sehen". So auch der Name einer Tagung von Mikrobiologen in Marburg, die Mascher mit veranstaltet. Thorsten Mascher ist Mikrobiologe an der TU Dresden. Bakterien müssen sich beispielsweise ganz schnell an ihre Umwelt anpassen können, um zu überleben. Wie das funktioniert, versuchen die Forscherinnen und Forscher zu entschlüsseln.

Die Mikrobiologen der Lahnstadt zieht es bei diesen Veranstaltungen immer gern von den Lahnbergen ins Zentrum der Stadt. So findet das Jahreskolloquium des Loewe-Zentrums für Synthetische Mikrobiologie (Synmikro) schon traditionell im Mai im Kino Cineplex statt. Diesmal kamen die Biologen im Erwin-Piscator-Haus, der Stadthalle, zusammen. Sie genossen dabei nicht nur die anregenden Gespräche im Licht durchfluteten Foyer des Neubaus, sondern auch den tollen Blick auf Schloss und historische Altstadt.

Thorsten Mascher, Anke Becker und Erhard Bremer (v.l.n.r., Bild: UMR)
Thorsten Mascher, Anke Becker und Erhard Bremer (v.l.n.r., Bild: UMR)

Thorsten Mascher aus Dresden bestätigte nochmal, dass Marburg für Mikrobiologen der zentrale Forschungsstandort in Deutschland, wenn nicht gar Europa, sei. Und viele der anwesenden Forscherinnen und Forscher freuten sich darauf, im hoffentlich kommenden Jahr den Forschungsneubau für Synmikro auf den Lahnbergen beziehen zu können. Universitätsleitung und Land Hessen hätten diesen Wert erkannt. Und auch einen anderen Wert unterstrich die Tagung: Biologie ist längst keine Männerdomäne mehr. Viele Hauptvorträge wurden von etablierten Forscherinnen gehalten.

Etwa Bonnie Bassler aus Princeton, die darüber berichtete, wie es „tumbe“ Bakterien schaffen, sich untereinander abzustimmen. Bakterien können nämlich über Signalmoleküle – also gewissermaßen mit chemischen Wörtern – miteinander kommunizieren. Dann heißt es gemeinsam „Attacke“ auf ein Opfer, oder der Bakterienklumpen wandelt sich in einen für andere undurchdringlichen Schleim, einem sogenannten Biofilm. Manchmal produzieren Bakterienkolonien auch Gemeinschaftsgüter, etwa bestimmte Stoffe, um Nahrungsquellen gemeinsam zu verwerten. Im Verbund sind sie stärker. Die Arbeitsgruppe von Bassler an der Eliteuni Princeton versucht diese chemischen Kommunikationsnetzwerke zu entschlüsseln.

Das Spannende an der Mikrobiologie ist, dass es immer wieder neue Entdeckungen gibt, sagt Thorsten Mascher. Einen lustigen Aha-Effekt steuerte Kai Thormann aus Gießen bei. Normalerweise propellern sich Bakterien mit Geißelchen durch ihre Umgebung. Bleiben sie indes stecken, so können sie einen ganz speziellen Rückwärtsgang einlegen: Sie schlingen die Geißeln fest um sich, so dass der Bakterienkörper wie eine Schraube ausschaut. Dann drehen sie sich selbst heraus. Dieses Schraubenprinzip könnte dazu dienen, sich in Sicherheit zu bringen oder Feinde zu attackieren – je nachdem, wie das Bakterium seine Umwelt wahrnimmt.

Megathema Synthetische Biologie: Drei Doktoranden suchen den Dialog mit dem Publikum im Marburger Chemikum

**Marburg. **Von zwei wissenschaftlich-technischen Entwicklungen erwarten Fachleute in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bahnbrechende Durchbrüche. Die werden unser Leben von Grund auf verändern. Das eine ist die Künstliche Intelligenz. Also intelligente Programme, Computer, Roboter. Das andere ist die Synthetische Biologie.

Nicholas Krink, Anne Löchner und Max Mundt (Bild: m_)
Nicholas Krink, Anne Löchner und Max Mundt (Bild: m_)

Denn genauso wie die Forscherzunft in der Chemie vor vielleicht Hundert Jahren von der Analyse der Stoffe zur Synthese und dem Aufbau von ganz neuen, in der Natur nicht bekannten Materialien fortschritt, -- vor dieser Zeitenwende steht auch die Biologie.

Daher nahm es sich ganz gut aus, dass gerade dieses Megathema in einer Experimentalveranstaltung im Marburger Chemikum in seinen Grundzügen erläutert wurde. Das glückte gut, und zwar gleich auf zweierlei Weise. Die Experimentatoren waren drei junge Doktorandinnen und Doktoranden vom Zentrum für Synthetische Mikrobiologie auf den Lahnbergen. Anne Löchner, Max Mundt und Nicholas Krink hatten die Gabe, auf unverbrauchte, einfache und verständliche Weise in die Welt der Mikroorganismen, namentlich Bakterien, Viren und Pilze einzuführen.

Ferner fand auch das Publikum Gefallen und konnte sich des gewichtigen Themas annähern: Familien, Erwachsene und Kinder lernten viel über die Einzeller, deren Formenvielfalt, wo sie vorkommen, und wie sie etwa riechen.

**Staunend hinter dem Ohr gekratzt**

„Einige Stunden mussten wir uns schon vorbereiten“, erklärt Anne Löchner. Am Vormittag setzte Max Mundt beispielsweise die Bakterienkulturen an, die dann in sicher verschlossener Petrischale am Vortragsnachmittag durch die Publikumsreihen gereicht wurden. Natürlich erreicht man das Publikum gut über das Staunen. So leben mehr Einzeller in und auf einem Menschen, als dieser selbst Zellen hat. „Und wenn ihr euch hinter dem Ohr kratzt?“, fragt Löchner. Auch dort leben und wohnen Zehntausende Bakterien. Alles unkritisch, alles ungefährlich, weil natürlich.

Die Synthetische Biologie will indes etwas anderes: die Bausteine der Natur, also Erbgut, Zellstrukturen, sollen neu zusammen gesetzt werden, um etwa die Produktion einer Substanz zu verbessern oder überhaupt erst zu ermöglichen. So können beispielsweise die Erbgutabschnitte, die in der Karrotte die Produktion des Vitamins Beta-Carotin ankurbeln, durch eine neue Schnitttechnik schnell und präzis in Bakterien oder Hefepilze übertragen werden. Und das lässt sich deutlich komfortabler für die Vitaminproduktion kultivieren als Karrotten auf dem Acker.

Beim Bauen mit den Bausteinen der Natur „sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt“, sagt Nicholas Krink. Vieles scheint möglich. Ihre Arbeit verstehen die Synthetischen Biologen von den Lahnbergen zumindest so: „Wie wollen Gutes mit den Bausteinen des Lebens machen“, meinen die drei Doktoranden. Um Gutes zu wollen, muss man sich auch über das Gute und Wünschenswerte verständigen und darüber reden. Das haben die drei Biologen zumindest schon mal überzeugend geschafft.

Erinnerung an Lasershow über Marburger Köpfen

**Marburg. **Das waren noch Zeiten.‭ ‬Harald Giessen steigt der Physik aufs Dach,‭ ‬installiert seine Laser und illuminiert für das Stadtfest‭ „‬3‭ ‬Tage Marburg‭“ ‬die Strecke vom Renthof zum Spiegelslustturm zu einem Bürohaus am Lahnufer und wieder zurück an den Schlossberg.‭ ‬Eine Lasershow mit grünem Dreieck,‭ ‬erinnert sich der mittlerweile‭ ‬50-jährige Starphysiker an seine Postdoc-Zeit in Marburg.

Die Stuttgarter und Marburger Netzwerker: Harald Giessen (l.) und Ulrich Höfer. (Bild: m_)

Giessen kommt immer wieder gern nach Marburg.‭ ‬Hier begann seine wissenschaftliche Karriere.‭ ‬Die Kollegen kennen ihn und er kennt sie.‭ ‬Wenn er einen seine eloquenten Vortäge im Renthof hält,‭ ‬streut er seine Ideen nur so aus,‭ ‬und man meint,‭ ‬er nimmt im Diskurs mit Nachwuchsforschern und gestandenen Kollegen auch jede Menge Ideen mit nach Stuttgart.‭ ‬Dort leitet das nach schwäbischer Art wohlwollend bis ironisch genannte Physik-Käpsele ein überaus erfolgreiches physikalisches Institut. (Ein Käpsele ist schlicht eine gescheite, intelligente Person.)

Der Ritus bei den Naturwissenschaftlern ist ja folgendermaßen,‭ ‬und zwar alles andere als das häufige‭ „‬Redner kommt,‭ ‬schwätzt und geht‭“‬.‭ ‬Nein,‭ ‬hier nimmt sich der Gast mindestens einen Tag Zeit,‭ ‬er geht durch fast jedes Labor,‭ ‬schaut,‭ ‬diskutiert,‭ ‬streut Ideen und saugt Interessantes auf.‭ ‬Daraus destillieren die Forscherinnen und Forscher noch am selben Tag,‭ ‬Wochen darauf oder gar Jahre später Forschungskonzepte,‭ ‬die sie in Anträge gießen und dann Geld daraus machen.

Gute Wissenschaft braucht Top-Leute

Der Ex-Marburger Giessen hat es weit gebracht.‭ ‬Über die Uni Bonn nach Stuttgart.‭ ‬Einmal danach gefragt,‭ ‬was er als seine Hauptaufgabe als Physikprofessor sehe,‭ ‬meinte Giessen:‭ ‬Das Heranziehen von Doktoranden.‭ ‬Gute Wissenschaft funktioniert eben nur über Top-Leute.‭ ‬Die Doktoranden schwärmen dann später als Post-Docs an andere Institute aus,‭ ‬werden Professor,‭ ‬kommen in Hightech-Unternehmen unter und verdichten so das persönliche Kooperations-‭ ‬und Wissenschaftsnetzwerk.

Heute zählt Harald Giessen sicherlich zu den besten Forschern in der physikalischen Optik.‭ ‬In jüngster Zeit hat er grundlegende Verfahren mitentwickelt,‭ ‬Minikamera-Objektive zu bauen,‭ ‬die auf die Spitze einer Glasfaser passen und etwa als Endoskop genutzt werden können.‭ ‬Neben dieser extremen Miniaturisierung ist das Spannende daran,‭ ‬dass dieses Objektiv auf das Glasfaserende‭ ‬3D-gedruckt wird.‭ ‬So könnte man dereinst minimalinvasiv schlicht ein Glasfaserendoskop an der Seite des Auges entlang zur Netzhaut führen,‭ ‬um diese zu inspizieren,‭ ‬meint Giessen.‭ ‬Diese Konzepte diskutierte er beispielsweise mit den Grundlagenforschern um den Marburger Physiker Ulrich Höfer.

Giessen kennt Marburg wie aus der Westentasche und hat in jungen Jahren keine Party ausgelassen.‭ ‬Am Hainweg oder im Landgrafenhaus ließ sich mit den Mädels noch am Besten abtanzen,‭ ‬erinnert er sich.‭ ‬Seine Lasershow dürfte der quirlige Physiker heute aus rechtlichen und Sicherheitsgründen nicht mehr über Marburger Köpfen abhalten.‭ ‬Diese Geräte bleiben im Labor.

Kürzlich wurde in der Alten Aula der Philipps-Universität Marburg der Peter Becker-Preis für Friedens- und Konfliktforschung – ich glaube zum siebten Mal – vergeben. Der Stifter Peter Becker ist ein alt-eingesessener Marburger Rechtsanwalt, der sich für die Friedens- und Konfliktforschung auch als Mäzen einsetzt.

Prämiert wurden: Erstens, die Berghof Foundation für eine zweifache Transformation. Nämlich die Transformation von Forschungsergebnissen in die Praxis und sodann die praktische Transformation von Konflikten, etwa im Nahen oder im Afrika oder Asien. **Konflikttransformation** bedeutet nicht, dass man den Konflikt lösen will, sondern die Betrachtungsweise auf den Konflikt der verschiedenen Akteure verändert. Solchermaßen können sie vielleicht selbst den Konflikt lösen. So habe ich das zumindest verstanden.

Small talk im Foyer der Alten Aula nach der Preisverleihung (Bild: ZfK)

Der zweite Teil des Hauptpreises ging an Clemens Ronnefeldt, einem umtriebigen Referenten des Versöhnungsbundes, ebenfalls für seine Arbeit an der Schnittstelle zwischen Friedensbewegung und Friedensforschung.

Der Heidelberger Theologe und Sozialethiker Ulrich Duchrow sagte in seiner Laudatio knapp: Unsere westliche Leitkultur ist zu einer **Leidkultur** geworden. Neu ist, dass die Folgen verfehlter Außen- und Sicherheitspolitik auf uns zurückschlagen. Und Donald Trump zeigt die nackte Fraze unseres kapitalistischen Systems – das sind meine Worte, aber sinngemäß nach Ulrich Duchrow.

Ronnefeldt zeigte sich überzeugt, dass zivilgesellschaftliche Inititativen (also kurz NGOs) Brücken bauen, so dass auch auf höherer politischer Ebene eine Annäherung gefördert wird. Grundsätze seiner Arbeit sind die Bergpredigt der Bibel, der Gewaltverzicht und die Feindesliebe. Also kurz: Mitmenschlichkeit.

Drittens. Der Nachwuchspreis ging an die Türkin Özden Melis Uluğ, die den **türkisch-kurdischen Konflikt** analysiert hat und die Parteien ins Gespräch bringen will.
Dazu hat sie die türkisch-kurdische Gesellschaft in drei Schichten eingeteilt. Das Laien-Volk, die intellektuelle Ebene wie Journalisten und Wissenschaftler und die Politiker.
Die Arbeiten von Ulug sind ziemlich gefragt. Derzeit ist sie als Postdok in den USA.

Der Peter Becker-Preis ist mit insgesamt 7.000 Euro die höchstdotierte Auszeichnung für Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland – nach Angabe der Universität Marburg.

Die Verleihung war just zu dem Moment, in dem Donald Trump zum US-Präsidenten vereidigt wurde. Klar, dass jeder Redner darauf Bezug nahm.

Also, die Preisverleihung mit Laudationes und Preisreden der Geehrten konnte man schon nutzen, um die eigene Position hier in Marburg neu zu betrachten.

Komisch, eine meiner letzten Stories hieß „Dr. Watson trifft Dr. House“. Damit war gemeint, dass der Marburger Dr. House, eben jener Professor Jürgen Schäfer vom Zentrum für Seltene und Unerkannte Krankheiten (ZUSE) nun das moderne Watson-Computersystem von IBM nutzen will, um besser und schneller seine Diagnosen zu treffen. Das war für mich schon ein kleines Highlight.

Clowndoktor und Kabarettist Hirschhausen (Bild: EvH)
Clowndoktor und Kabarettist Hirschhausen (Bild: EvH)

Nun setzt Jürgen Schäfer noch einen drauf. Für sein Dr. House-Seminar hat er den Dr. Eckhard von Hirschhausen eingeladen. Da ging die Post ab. Ich will mich aber auf drei Eindrücke beschränken.

Erster Eindruck: Ich sitze in der Cafeteria der Lahnberge. Neben mir drei Medizinstudentinnen. Die eine „Ich bin dafür wirklich nicht geschaffen“. Die andere: „Du schaffst das“, die erste wieder: „10 Stunden lernen, dann schlafen, dann wieder 10 Stunden lernen, und so weiter und so fort. Das ist nichts für mich.“

Zweitens: Am Abend dann Hirschhausen in seiner Vorlesung an die rund 1200 Studierenden der Medizin und Psychologie: „Ihr werdet alle gebraucht.“
Hirschhausen könnte im zweiten Leben Motivationstrainer sein. Das Seminar im Audimax machte er für Umme, also kostenlos. Nach anderthalb Stunden ging er schlicht über die Biegenstraße in die Stadthalle und hielt seine kostenpflichtige und längst ausverkaufte Show Wunderheiler. Chapeau.

Hier ein paar Zitate, die ich mir aufgeschrieben hatte:

Er fragte die Studierenden: „Was sind Eure Vorbilder?“ also, wieso studiert ihr überhaupt Medizin. Sodann, konnte und sollte sich einjeder und einejede mit dem Sitznachbarn über seine Motivation unterhalten.
„Schreibt Euch auf, worin ihr den Sinn eures Medizinstudiums seht – für die kargen Zeiten“.

Wichtig sind die Freundschaften, die zählen. Mit anderen Lachen -- Weinen -- Schweigen. Im Kalender ganz fett rot markieren.

Die Zukunft der Medizin ist weiblich, teamorientiert und kommunikativ.

Und dann noch seine Kritik am Medizinbetrieb. Vor Medizindekan Helmut Schäfer, etlichen Chefärzten und Honoratioren.

Etwa: **Die Kunst der Medizin besteht darin, so viel zu unterlassen, wie es geht.**

Oder den Satz: **Ein Krankenhaus ist oft kein guter Ort für kranke Menschen.** (Sic!) Sagt der Hirschhausen, der genau weiß, wo er spricht, nämlich am Standort des einzigen, umstrittenen privatisierten Universitätsklinikums Deutschlands.

Ferner noch: **Fehler zugeben, nicht vertuschen, und etwas daraus lernen.**

Ja, jeder konnte sich Nachdenkliches, Lustiges, Entspannendes da mitnehmen. Besser kann eine Vorlesung und eine Performance nicht sein.

Dritter und letzter Gedanke. Tags darauf, ich sitze im Foyer der Uniklinik, Eingang West, Kinderklink. Eigentlich lacht da keiner. Jeder zieht eine eher besorgte, ängstliche, bestenfalls neutrale Mine. Doch dann ziehen die zwei Klinikclowns vorbei. Lachen schallt und hallt durch die Gänge. Das steckt an. Die Gesichtszüge von allen entspannen sich, Erwachsene lachen, Kinder sowieso, und eine heitere, frische Atmosphäre wabert durch das Klinikum.

**Wir sollten alle mehr lachen.**

Chemiker Ralf Tonner erhält für wegweisende theoretische Arbeiten Wissenschaftspreis

**Marburg. **Ralf Tonner mag’s gern sportlich. Fast jeden Tag kämpft sich der Chemiker von östlicher Seite aus dem Ebsdorfergrund die Lahnberge hinan. Belohnt wird er dort mit dem vielleicht schönsten Ausblick: Der 38-jährige Nachwuchsforscher arbeitet in einem schmalen, sehr lichten Büro im 2. Stock des neuen Chemiegebäudes. Mit Blick nach Süden auf ein Birkenwäldchen.

Der theoretische Chemiker Ralf Tonner. (Bild: m_)
Der theoretische Chemiker Ralf Tonner. (Bild: m_)

Am Schreibtisch geht der Forscherkampf allerdings gleich weiter. Tonner hat den Berufswunsch Professor für Theoretische Chemie. Nicht jeder schafft das Ringen um die wenigen Plätze in Deutschland. Internationales käme für den Forscher zwar auch infrage. Doch haben er, seine Frau und die drei Kinder (2, 11, 13) vorerst in Deutschland und Marburg ihre Heimat gefunden.

Klein und fein

Jetzt ist der begeisterte Trekking- und Rennradfahrer seinem Karriereziel einen entscheidenden Schritt näher gekommen. Die Habilitation vor kurzem abgeschlossen erhielt Tonner den kleinen, aber sehr feinen Hans G. A. Hellmann-Preis für Theoretische Chemie. Klein, da das Preisgeld von rund 1000 Euro überschaubar ist. Fein allerdings, da drei Fachgesellschaften den Preis nur einmal im Jahr an ausgezeichnete Forscher im Fachgebiet vergeben: Die Deutsche Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie, die Deutsche Physikalische Gesellschaft und die Gesellschaft Deutscher Chemiker. Da kommt das zusammen, was Tonner auszeichnet: Er arbeitet Disziplin-übergreifend in Chemie und Physik und zeigt, wie die Theoretische Chemie dazwischen Brücken baut.

Wer sich beispielsweise mit Festkörpern und deren Verhalten an Grenzflächen oder mit andockenden Molekülen befasst, etwa rund zwei Dutzend Professoren und Professorinnen im Marburger Sonderforschungsbereich 1083 “Innere Grenzflächen” und im Graduiertenkolleg 1782 “Funktionalisierung von Halbleitern”, der kommt an Tonner nicht vorbei. Der Chemiker modelliert, was das Zeug hält, und sucht in Zusammenarbeit mit den Experimentatoren nach Erklärungsansätzen und neuen Wegen. In einem Experiment ging es ums Abscheiden von Molekülen auf Oberflächen – einer Disziplin, in der die Marburger Materialwissenschaftler auf den Lahnbergen öffentlich kaum bekannt, aber in der Fachwelt maßgeblich sind, – “die Moleküle schlugen genau den Zerfallsweg auf der Oberfläche ein, den wir voraus gesagt hatten”, freut sich Tonner noch heute.

Richtungsweisend

Für seine laut Jury “richtungsweisenden” Leistungen erhielt Tonner den Preis. Was der Chemiker genau macht, lässt sich nicht so einfach beschreiben. Er arbeitet ausschließlich am Computer und berechnet, wie sich Moleküle und Festkörper verhalten, wie sie reagieren und sich verbinden. Die Modelle laufen je nach Grad der Kompexität auf dem gruppeneigenen PC-Cluster, einem Marburger Rechencluster, dem Hochleistungsrechenzentrum in Frankfurt oder dem Höchstleistungsrechenzentrum in Stuttgart. Ganz wichtig ist Tonner das grundlegende Verständnis des Verhaltens der Elektronen in chemischen Verbindungen. Sie entscheiden beispielsweise über die Leitfähigkeit von Materialien. In neuen Konzepten für elektrische Schaltkreise und Anwendungen, etwa der Mikroelektronik, sieht Tonner die – wenngleich nur in Kooperationen realisierbare – Anwendung der Forschung seiner 4-köpfigen Arbeitsgruppe.

Der frische Wind auf den Lahnbergen tut den Forschern gut. Tonner et al haben dieses Jahr über 16 Publikationen in Fachjournalen veröffentlicht. Weitere drei sind eingereicht. Diese Publikationen sind die Währung im Forscherleben. Tonner ist in der Nähe von Trier aufgewachsen und schon fürs Diplomstudium nach Marburg gekommen, wo er auch promoviert hat. Nach einem 2-jährigen Aufenthalt als Postdoc im neuseeländischen Auckland (“Das einzige was mir jetzt in Marburg fehlt, ist das Meer”) startete der Chemiker in Marburg durch.

Mehr sinnvolle Infrastruktur auf den Lahnbergen

Das Preisgeld ging zu einem Drittel für die Preis-Feierlichkeiten in Familienkreis und Arbeitsgruppe drauf. Ein weiteres Drittel steckte Tonner in sein Rennrad-Hobby, das er jetzt wieder intensivieren will. Eine der vergangenen Konferenzen, in Bochum, erreichten er und zwei Kollegen mit dem Rennrad. “Das letzte Drittel ist noch offen”, sagt Tonner. Der Forscher fühlt sich auf den Lahnbergen wohl, hätte aber gern eine bessere Anbindung des Campus an die Innenstadt. Da er von Rauischholzhausen die Lahnberge erklimmt, kommt er eher selten in die Stadt an der Lahn. Und wenn er einen Wunsch frei hätte? “Auf den Lahnbergen wird an Uni und Klinikum gut und lange gearbeitet. Etwas mehr Infrastruktur wäre sinnvoll. Ein Fitnessstudio, oder ein Supermarkt”, formuliert Tonner seinen Wunsch.

**Marburg.** In der ersten Juniwoche trafen sich Physiker und Chemiker an der Uni Marburg. Ihr Tagungsthema: Welche Prozesse laufen da eigentlich an den Grenzflächen verschiedener Materialien ab. Die Ergebnisse sind interessant für moderne Bauelemente: Sensoren, Displays, Mikrochips. Ich sprach mit Tagungsleiter Ulrich Höfer.

Laserphysiker Ulrich Höfer (Bild: Uni Marburg)

**4 Tage Konferenz, 120 Physiker auf einem Fleck. Herr Höfer, was kommt dabei heraus?**
Zunächst interessante Diskussionen. Die Resultate sind da oft verblüffend und nicht vorhersehbar. Kollegen aus Berkeley in Kalifornien und New York interessieren sich für unsere Messtechnik mit dem Laser. Jetzt planen wir gemeinsame Projekte mit der Columbia Universität in New York. Immerhin eine der Top-Unis der USA.

**New York — das verspricht ja interessante Dienstreisen für die Marburger Physiker?**
Die Wissenschaft steht immer im Mittelpunkt (lacht). Eine Forschungsreise sieht ja vielfach so aus, dass man morgens mit dem Flieger ankommt, die Konferenz besucht und am übernächsten Tag wieder abfliegt.

**Also kein Musical am Broadway?**
Das steht noch nicht zur Debatte. Für mich ohnehin lieber die MET.

**Was bringt das Ganze?**
Wir sind für die Weiterentwicklung unseres Sonderforschungsbereichs ein gutes Stück voran gekommen. Die US-Kollegen wollen mitmachen. Das verspricht spannende Physik und beste Chance für die Zukunft.

**Spielt der Ort einer Konferenz eine Rolle?**
Natürlich bieten die historischen Orte wie die Alte Aula und das Schloss in Marburg eine besondere Anregung, um ins Gespräch und auf neue Ideen zu kommen. Unsere Gäste waren jedenfalls begeistert und werden gerne wiederkommen.


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