Eberhard Umbach ist kein Klimaforscher, der heutige Präsident des Karlsruhe Instituts für Technologie (KIT) ist Physiker und Fachmann für Energie. Was er zur Energiewende zu sagen hat, hat also Hand und Fuß. Die Begründung für die Energiewende liegt aber in der Klimaforschung: Die hohen Energieverbräuche produzieren massenhaft CO2, das in die Atmosphäre entlassen wird und zur globalen Erwärmung führt, sprich: dem Klimawandel.

Der vorindustrielle Wert lag bei den bekannten 280ppm CO2 (280 CO2-Moleküle unter 1 Million Luftmolekülen). Seit diesem Mai ist die 400ppm-Schwelle durchbrochen. "Es ist [in den Klimamechanismen] noch nicht alles verstanden", darin hat Umbach recht.

Doch wenn Umbach in seinem Vortrag am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Stuttgart, den Anschein erweckt, es gäben noch keine klaren Anzeichen für den Klimawandel, etwa beim Meeresspiegel, so liegt er daneben. Zwar bringt jede neue Studie auch ein neues Ergebnis, doch dürfte klar sein, dass der Meeresspiegel langsam ansteigt. Die Messungen liegen bei einigen wenigen Millimetern pro Jahr. (Siehe auch hier und zum Stöbern hier.)

Zum Bild: Meeresspiegelvariation zw. 1960 und 2010. Orange: +1mm/Jahr; tiefrot +4mm/Jahr; tiefblau: Pegelfall -4mm/Jahr (c) PSMSL.org
(Zum Bild: Meeresspiegelvariation zw. 1960 und 2010. Orange: +1mm/Jahr; tiefrot +4mm/Jahr; tiefblau: Pegelfall -4mm/Jahr (c) PSMSL.org)

Die Reaktion des Klimas auf den Menschen ist also real. Der Meeresspiegel ist dabei ein kleiner, einfacher, klarer, wenngleich träger Indikator. Anderen Indizien wie Wetter, Temperaturverteilung, Niederschläge, Stürme ist dabei statistisch viel schwerer nachzukommen.

Die Horrormeldung kam erst diese Woche vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung: Pro Grad Celsius zusätzliche Erwärmung steigt der Meeresspiegel um 2 Meter -- langfristig über Dekaden und Jahrhunderte. Bisherige Abschätzungen haben nämlich das Abschmelzen der Eisschilde an den Polen und der Gletscher nur unzureichend eingerechnet. Doch das ist eine Prognose.

In seiner Gesamtanalyse hat Umbach indes recht: Wissenschaft, Politik und Gesellschaft müssen alle Anstrenungen unternehmen -- aus dem Wissen um Klimafolgen heraus oder dem Vorsorgegedanken geschuldet --, um den Klimawandel abzuwenden, abzuschwächen oder sich auf ihn einzustellen.

Deutschland hat als einziges wichtiges Industrieland über die vergangenen Dekaden seinen CO2-Ausstoß stetig verringert (1971: 1000 Millionen Tonnen CO2, 2006: 800 Millionen Tonnen CO2). Damit werden wir den Klimawandel nicht aufhalten, doch "können wir Maßstäbe setzen, Vorbild sein und Technologien entwickeln", sagt Umbach zurecht.


Das Spannende vorne weg: Nachdem die Physiker am Cern das Higgs-Teilchen dingfest gemacht habe, kann man sich die Wundermaschine LHC jetzt auch ansehen. Bis Mitte 2014 ruht nämlich der Beschleunigerbetrieb. Der LHC wird auf seine Endausbaustufe für Kollisionsenergien von 14 Teraelektronenvolt (TeV) aufgerüstet. In dieser Zeit müssen Techniker und Physiker in den Beschleunigertunnel (27 Kilometer Umfang, 100 Meter unter der -- teils schweizerischen, teils französischen -- Erde), und Besuchergruppen sind zugelassen.

Heuer verwies als Gastredner auf dem Forschungstag 2013 der Baden-Württemberg-Stiftung auch auf den Tag der offenen Tür am Cern (28./29. September 2013). Der Generaldirektor des Cern erwartet dann allerdings 100.000 Besucher.

Zum Stand der Higgs-Suche meinte Heuer, das Teilchen gelte nun als gefunden. (Andere Physiker sprechen indes immer noch von einem Higgs-ähnlichen Teilchen.) Doch jetzt fange die Sache erst an, interessant zu werden. Verhält sich das Higgs genauso, wie es das Standardmodell der Elementarteilchenphysik vorhersagt, oder gibt es Abweichungen. Immerhin gebe es Theorien, wonach verschiedene Higgs-Sorten möglich seien.

Heuer strich insbesondere heraus, dass das Higgs-Teilchen als Anregung eines skalaren Feldes etwas Besonderes sei. Skalar meint, es gibt keine Richtung wie etwa beim elektrischen Feld. Das Higgs-Feld durchziehe das ganze Universum. Da es die Masse der bekannten Materie hervorrufe, hoffen die Forscher, über ein genaueres Studium von Higgs auch Hinweise auf die ominöse dunkle Materie und die dunkle Energie zu bekommen. "Damit stehen wir ganz am Anfang der Erforschung des dunklen Universums", sagte Heuer.

Die Forschungsministerin Theresia Bauer (Die Grünen) gab auf dem Forschungstag 2013 der Baden-Württemberg-Stiftung ein paar interessante Statements und Fakten.

Mit einem F+E-Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 5,1 Prozent stehe BW in Deutschland und Europa in der Spitzengruppe, gab Bauer zu Protokoll.

Für eine grüne Politikerin gab sie einige interessante Einsichten in ein offenbar gewandeltes Technik- und Wissenschaftsverständnis: "Jeglicher Fortschritt ist heute wissenschaftsgetrieben. Jeder Fortschritt braucht die Wissenschaft", erklärte die Ministerin. Es gebe keine Denk- und Forschungsverbote.

Die wissenschaftliche Erkenntnis sei überdies ein Wert an sich, "weder gut noch böse" (Bauer). Am Punkt der Anwendung ist dann eine Bewertung gefragt. "Da sollte sich die Öffentlichkeit beteiligen", sagte Bauer.

Bauer räumte ein, dass die Basisfinanzierung der Hochschule "schwächele", und forderte eine ausreichende Grundfinanzierung.

Der Forschungsfreiheit stellte Bauer die Verantwortung des Forschers gegenüber der Gesellschaft als andere Seite einer Medaille heraus. "Wissenschaftler sind der Gesellschaft gegenüber verantwortlich." Darüber hinaus müssten Forschungsergebnisse frei zugänglich sein.

Kommentar: Bauer singt also ein Lied auf die Forschungsfreiheit, lässt den öffentlich geförderten und angestellten Forscher an der langen Leine auslaufen, holt ihn aber gleichzeitig über die Verantwortung mit dem Lasso wieder zum gesellschaftlich-politisch Gewünschten wieder heran. Was sie verschweigt: Forschungsfreiheit braucht Ressourcen - meist finanzieller Art. Doch über die Förderprogramme der Politik und die Programmforschung der Baden-Württemberg Stiftung sind die Weichen klar gestellt - Forschungsfreiheit hin oder her. Neue Wege wie sie etwa das Freiburger Institut for Advanced Study (FRIAS) beschreiten wollte, wurden leider durch die Exzellenzinitiative wieder abgewickelt.


"Jetzt erst recht" -- mögen sich viele Menschen sagen: Das Verschlüsseln der E-Mail ist zwar umständlich und meist auch gar nicht notwendig (etwa beim Versand von Inhalten auf dem Level von Kochrezepten), doch irgend etwas möchten die Menschen dem Ausspähen und der Datensammelwut von Geheimdiensten und auch offenen Diensten (Google et al.) entgegen setzen. Sogenannte Cryptopartys nehmen wieder Fahrt auf. Dort treffen sich Interessierte und Betroffene, um sich über Verschlüsselung und Datensicherheit auszutauschen. Auf deren Homepage gibt's auch ein interessantes Handbuch (auf Englisch), das eigentlich alle Tipps und Tricks auflistet.


John Lanchester ist wohl der Autor der Stunden, um das Disaster um Finanz-/Banken-/Schuldenkrise (you name it) zu erklären. Das liegt auch daran, dass er immer wieder eigene Erfahrungen und Erlebnisberichte in die Geschichten einflicht. Hier zwei zurückliegende Storys aus dem London Review of Books: Let's call it failure und Cityphilia. Zudem sitzt er auch an der Quelle mit direktem Zugang zur Londoner City, jenem eigenwilligen und eigengesetzlichen Finanzplatz, an dem eben global gesehen die Fäden zusammen laufen.


Ein schöner Comic zeigt und erklärt die Besonderheiten der kosmischen Hintergrundstrahlen. Der Esa-Satellit Planck (geparkt im 2. Lagrange-Punkt) hatte jüngst neue Messwerte geliefert und die aktuellen kosmologischen Modelle weitestgehend bestätigt.


Bei der Verifizierung des Higgs-Teilchens müssen die Physiker jetzt die Statistik bemühen. Da gibt es zwei Ziellinien, ab 99,73% Wahrscheinlichkeit (3-Sigma) sprechen die Wissenschaftler von einem Anzeichen für ein neues Teilchen, ab 99,99994% (5-Sigma) von einer Entdeckung.

Das 5-Sigma-Ziel haben die Forscher vergangenen Sommer (Verkündung 4.7.2012) erreicht. "Wir sind sicher, ein neues Teilchen gefunden zu haben", sagte mir Karl Jakobs, Physiker an der Uni Freiburg und Sprecher der deutschen Forscher an einem der beiden Higgs-Nachweisdetektoren, dem Experiment Atlas.

Um das neue Teilchen als Higgs-Teilchen auch zweifelsfrei fest zu machen, dazu müssen die Forscher das 5-Sigma-Ziel bei den Higgs-Eigenschaften noch erreichen. Dazu zählt der Spin. Er sollte bei Null liegen. Das Higgs ist das Austauschteilchen eines sogenannten skalaren Feldes (also ohne vektorielle Vorzugsrichtung wie etwa bei einem elektromagnetischen Feld) mit Spin Null. Bei diesen Eigenschaften liegen die Forscher zwischen 2- und 5-Sigma.

Die jüngste Konferenz in La Thuille, Anfang März, zeigte, dass die Forscher auf gutem Wege zum Higgs sind. Vielleicht sogar 'zu gut', denn das Teilchen scheint sich nur zu gut in das Standard-Modell einzufügen. Dabei hätten einige Forscher auch ganz gern auf überraschende Abweichungen von den Modellen gesetzt, um auf eine neue Physik schließen zu können: weitere Raumdimensionen, Dunkle Materie.

Aber vielleicht wird's noch was. Auf der nächsten Sommerkonferenz in Stockholm wissen wir mehr, meint Jakobs.


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